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Tennistrainer_innen und das Automatismus-Problem

Lustige Sonne tropischen Insel cartoonPuuh, ob bei diesen sommerlichen Temperaturen (19.6.2013, 10 Uhr 30 Grad C in Horb a.N.) Inner Coaching überhaupt dort ankommt, wo es ansetzen sollte, im Gehirn des Spielers?

Trotzdem eine Überlegung, die mich in den letzten Wochen sehr beschäftigt hat:

Bisher haben wir immer davon geredet, dass es beim Bewegungslernen und im Wettkampf hilfreich ist, auf bereits funktionierende automatisierte Bewegungen zurückzugreifen. Beim Beginner auf bereits vorhandene, in anderen Zusammenhängen erlernte ähnliche Bewegungsmuster, beim Profi auf optimalisierte sportartspezifische Bewegungsabläufe.

Doch was tun, wenn die automatisierten Bewegungsideen, -abläufe eher hinderlich bei der Lösung einer Bewegungsaufgabe sind? Ein typisches Beispiel sind Tennistrainer_innen, die stundenlang damit beschäftigt sind, mit ihren Kund_innen lange Ballwechsel zu spielen; die gezwungen sind, das (Spiel-)Tempo an die Spielstärke des Trainierenden anzupassen; die es bevorzugen, den Ball aus der Hand anzuspielen; die eher mit Drive und Slice (zu-)spielen, als mit dem im Wettkampf in der Regel günstigeren Vorwärtsdrall; die den Ball so zuzuspielen, dass ihn die Kund_in gerade noch erreichen kann, statt, wie im Wettkampf, den Ball so zu spielen, dass ihn der Gegenüber nicht mehr erreicht?

Wir glauben zu wissen, dass Menschen in Stresssituationen auf das zuzurückgreifen, was sie kennen, was in (Alltags-)Situationen funktioniert. Doch der Alltag für Trainer_innen sind die alltäglichen Trainingsstunden! Im Wettkampf ist es für Tennistrainer_innen aber offensichtlich ungünstig, auf diese automatisierten Bewegungslösungen und Spieltaktiken zurückzugreifen: das genaue Zuspiel, der fehlende Vorwärtsdrall, das Spiel in die Mitte, die reduzierte Geschwindigkeit.

Statt wie im im allgemeinen im INNER COACHING angestrebt, das Denken auszuschalten und damit den Zugang zu den automatisierten Bewegungen herzustellen, müssen hier Strategien gefunden werden, diese Automatismen auszuschalten.

 

Der Mann, der auf dem Wasser ging

Ein dem Herkömmlichen verbundener Derwisch aus einer strengen frommen Schule wanderte eines Tages am Ufer eines Flusses entlang. Er war vertieft in Gedanken über moralische und gelehrte Probleme, denn das war die Art der Sufischulung, zu der es in der Gemeinschaft, der er angehörte, gekommen war. Er stellte die fromme Bewegtheit des Gemütes mit dem Suchen nach der letzten Wahrheit auf dieselbe Stufe.

Plötzlich wurden seine Gedanken von einem lauten Rufen unterbrochen. Jemand rief, und er rief den Derwischruf. Der Derwisch aber dachte bei sich: ” So hat das keinen Zweck, denn er Mann spricht die Silben falsch aus. Statt Ya Hu zu intonieren, sagt er U Ya Hu.” Dann wurde ihm klar, dass er als besserer Kenner dieser Übung die Pflicht habe, den unglücklichen Menschen zu korrigieren, der vielleicht nicht richtig angeleitet worden war und daher einfach nur versuchte, sein Bestes zu tun bei der Einstimmung auf das Wesentlich, das hinter den Lauten liegt.

So mietete der Derwisch ein Boot und fuhr zu der Insel hinüber, die mitten im Strome lag, und von der die Rufe zu kommen schienen. Dort fand er einen mit dem Derwischgewand bekleideten Mann in einer Schilfhütte sitzen. Er wiegte sich im Takt des einweihenden Derwischrufes, den er wieder und wieder ertönen ließ. “Mein Freund”, sagte der erste Derwisch, “Du sprichst die Worte falsch. Es ist meine Pflicht, Dir das zu sagen, denn es ist verdienstlich, Rat zu geben und Rat zu empfangen. Du musst die Worte auf folgende Weise intonieren” – und er zeigte es ihm.

“Ich danke Dir”, sagte der andere Derwisch demütig. Der erste Derwisch stieg wieder in sein Boot, voller Zufriedenheit, weil er etwas Gutes getan hatte. Immerhin heißt es, dass der Mensch, der die heilige Formel korrekt wiederholt, sogar auf dem wasser wandeln kann; er hatte das noch nie gesehen, hoffte jedoch noch immer – aus irgendeinem Grunde – es einmal zuwege bringen zu können.

Nun hörte er nichts mehr aus der Schilfhütte, aber er war sicher, dass sein Unterricht gut aufgenommen worden war. Dann aber hörte er ein gestammeltes U Ya – denn der zweite Derwisch rief den Ruf wieder auf die alte Art. Während der erste Derwisch sich hierüber noch Gedanken machte und über die Verderbtheit der Menschheit und die Hartnäckigkeit des Irrtums im allgemeinen nachsann, bot sich ihm plötzlich ein merkwürdiger Anblick: Der andere Derwisch kam von der Insel zu ihm herüber gelaufen, – ja, er wandelte auf dem Wasser. Verblüfft ließ er die Ruder sinken. Der zweite Derwisch kam zu ihm heran und rief:

Bruder, es tut mir leid, Dir Mühe zu bereiten, aber ich musste herkommen, um Dich noch einmal nach dieser Methode zu fragen, damit ich die Worte auf die richtige Weise wiederhole, habe ich doch Schwierigkeiten, es zu behalten.”

Aus: I. Schah: Das Geheimnis der Derwische – Geschichten der Sufimeister.