In den letzten Monaten bin ich nicht so intensiv dazu gekommen, den Blog mit Inhalten zu füllen. Das innovative Bewegungs- und Spielkonzept Street Racket hat mich zeitlich und inhaltlich sehr beschäftigt. Es füllt die Lücke im motorischen Lernen zwischen der spielorientierten Ballschule und dem spielerischen und altersgerechten Einstieg in das Tennisspiel. Gerne könnt Ihr hier mehr darüber nachlesen. TMS und Street Racket.
Heute bin ich im einem Instagram-Post auf einen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung gestossen: Mal so, mal anders. Wie lernt man am besten (leider versteckt sich der spannende Artikel hinter einer paywall).
Spannend wird es schon in der Einleitung, wenn der Verfasser mit einem Beispiel aus dem Tennis in den Beitrag einsteigt. Er weist auf eine aktuelle Studie zum Bewegungslernen hin, in der die Entwicklung des Aufschlags und die Vorteile eines variantenreichen Trainings beschrieben werden. So wie ich es aus dem differenziellen Lernen kenne und hier schon mehrfach dargestellt habe.
Besonders gut gefällt mir natürlich, dass auch die Studie mit dem Tennisaufschlag als einem Beispiel für Variation und effektives Lernen beginnt. Hier deshalb, vor Auszügen aus dem SZ Beitrag, noch mal der Link zu meinem Artikel in TennisSport, in dem ich den wissenschaftlichen Hintergrund des Variationstrainings und Trainingsideen zum Aufschlag beschrieben habe.
Tennis verfügt über das Potenzial, Neulinge auf dem Platz tüchtig zu frustrieren. Zu Beginn ragen die technischen Hürden hoch. Statt den Killer-Topspin über das Netz zu dreschen, latscht man ständig über den Platz und sammelt Bälle auf, nur um sie wenige missglückte Schläge später wieder aufzusammeln. Besonders mühselig ist es, den Aufschlag zu lernen. Entweder landet der Ball im Netz oder geschätzte 7,2 Kilometer weit im Aus. Da hilft nur: üben. Immer wieder. Und noch mal. Irgendwann geht vielleicht was. Und wer das durchsteht und dabei langfristigen Erfolg ins Visier nimmt, braucht kurzfristig sogar eine besondere Frustrationstoleranz. Wie Neuroforscher um Limor Raviv vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik im Fachjournal Trends in Cognitive Sciences nämlich schreiben, erhöht ein besonderes variantenreiches Training den Lernerfolg. Statt stets den gleichen Schlag von der gleichen Position aus zu wiederholen, sollte der Tennisaspirant – die Forscher nutzen den Aufschlag als Beispiel in ihrem Paper – von verschiedenen Stellen aus unterschiedliche Schlagvarianten versuchen. Die Fehlerquote erhöhe sich dadurch zunächst, dafür stelle sich langfristig vermutlich größerer Erfolg ein, so die Forscher.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1364661322000651
Noch ein paar schöne Textteile aus dem Artikel, der in der Rubrik Psychologie in der online-Ausgabe der SZ veröffentlicht wurde:
Aber warum, was steckt hinter den beobachteten Effekten? Eine Theorie argumentiert, dass Variabilität hervorhebe, welche Aspekte für den Lernerfolg relevant sind. Die Farbe des Netzes am Tennisplatz ist zum Beispiel irrelevant dafür, ob der Aufschlag endlich klappt. Die Position an der Grundlinie oder die Schlägerhaltung sind hingegen wichtig. Ein anderer Erklärungsansatz sieht den Wert der Variabilität darin, dass diese die erlernten Grundkonzepte verbreitert und dadurch ihre Anwendbarkeit erhöht. Wer auch untypische Beispiele kennt, verfügt am Ende über eine genauere Vorstellung von der Welt oder einer speziellen Disziplin.
Variiert ein Training, weil sich die Reize stark voneinander unterscheiden, zwingt das zu einer besonderen Aktivierung der damit verknüpften Erinnerungen. Man muss stets ein wenig tiefer und gründlicher in die Erfahrungskiste greifen und hebt dadurch womöglich am Ende einen größeren Schatz, als wenn immer nur dasselbe wiederholt wird. Also auf geht es, Bälle einsammeln, Vokabellisten raus, Instrument stimmen oder was auch immer, und noch mal von vorne – mit einer kleinen Variation im Ablauf. Dann sollte das irgendwann was werden.