Aufmerksamkeit und Bewegungslernen 2

Ein netter Kollege, Oliver Wagner, Volleyballtrainer kurz vor der A-Lizenz und Blogger auf www.volleyblog.net, hat mich schon vor Monaten auf die Verbindungen zwischen Inner Coaching und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Motor Learning hingewiesen. Doch erst nachdem ich eine Studie von Dr. Gabriele Wulf gelesen habe (“Bewußte Kontrolle stört Bewegungslernen”), habe ich das – glaube ich – richtig verstanden.

Gestern habe ich mir deshalb von Frau Wulf, inzwischen an der University of Nevada in Las Vegas, das Buch „Aufmerksamkeit und motorisches Lernen“ bei meiner Lieblingsbuchhändlerin bestellt. Heute lag es schon im Briefkasten und jetzt freue ich mich auf viele neue Informationen zum Thema Bewegungslernen!

Ich hoffe, es ist eine Fortschreibung der Studie „Bewußte Kontrolle stört Bewegungslernen“ mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie Lernen tatsächlich funktioniert. Enthalten ist im Buch auch ein Kapitel zum Tennistraining. Darauf bin ich natürlich besonders gespannt.

 

Aufmerksamkeit und Bewegungslernen

Wer lange sucht……

Nach der Lektüre des Beilock Buches „Choke“ war ich mir unsicher, in wie weit es Untersuchungen gibt, die zeigen, dass die Beanspruchung des frontalen Cortex nicht nur bei Spitzensportlern die optimale Performance verhindert. Beilock zeigt in vielen schönen Beispielen, wie Sportprofis an vermeintlich einfachen Aufgaben scheitern, sobald sie unter Druck stehen und beginnen über eigentliche automatisierte Bewegungen nachzudenken.

Heute habe ich eine schon etwas ältere Studie von Dr. Gabriele Wulf gefunden. In Spektrum der Wissenschaft 4/1998 beschreibt sie unter der Überschrift „Bewußte Kontrolle stört Bewegungslernen“, dass im Bewegungslernen Technikanleitungen „schädlich“ sind, da sie die Aufmerksamkeit auf die eigene Bewegung lenken und den Fokus „nach innen“ richten. Zitat: „Anscheinend ist die motorische Steuerung von Bewegungen ein automatisch ablaufender Prozeß, der durch bewußte Einflußnahme in der Regel nur gestört wird.“

Untersucht hat sie dies an Gruppen von Skifahrern, Golfspielern und beim Balancieren auf dem Stabilometer. Die Gruppen, die technische Hinweise zur Bewegungsausführung bekamen, schnitten bei den abschließenden Tests bezüglich Bewegungsfluß und Bewegungsgeschwindiggkeit deutlich schlechter ab, als die Gruppen die keinerlei technische Anleitung bekommen hatten. Am besten schnitten jedoch die Testgruppen ab, deren Fokus „nach außen“ gerichtet wurde. Beim Balancieren auf dem Stabilometer wurde dieser Gruppe z.B. empfohlen, zwei Punkte auf dem Balanciergerät auf gleicher Höhe zu halten. Der Fokus wird nicht auf die Bewegung an sich gerichtet (innerer Fokus), sondern auf den Effekt gelenkt, der damit bewirkt werden soll (externer Fokus).

Im  Tennis Training nach Inner Coaching Prinzipien finden wir diese Vorstellung wieder, wenn der Spieler die Aufgabe bekommt, auf Ziele zu spielen, die Rotation des Balles zu beobachten, etc..

Der Tennistrainer wird also im Inner Coaching nicht überflüssig, sondern er ist dafür zuständig, die passenden Aufgabenstellungen zu erfinden, um den Fokus von innen nach außen zu richten, dass heißt auch, die Rahmenbedingungen im Tennistraining so zu verändern, dass sich eine erfolgversprechende Technik beim Spieler entwickeln kann (höhere Netze, kleiner Spielfelder, Ziele, unterschiedliche Bälle, Beobachtungsaufgaben, etc.).

Quelle: http://www.spektrum.de/alias/dachzeile/bewusste-kontrolle-stoert-bewegungslernen/824503

Auf der Nase gelandet…

 „If I ask somebody, who is well practiced in going stairs up and down, to pay attention to the bending angle of his knee joints, I must not be surprised, when he is landing on his nose.“ (Frercks Hartwig, INNER COACHING in Sports)
„Wenn ich jemanden, der geübt im Treppenlaufen ist, darum bitte, beim Treppen laufen auf den Beugungswinkel seiner Kniegelenke zu achten, dann muß ich mich nicht wundern, wenn er auf der Nase landet.“

Paralyse durch Analyse

In den nächsten Beiträgen werde ich etwas über die spannenden Untersuchungen des „Choking under pressure-Phänomens“ erzählen und diese neurologischen Erkenntnisse mit dem Inner Coaching verknüpfen.

Sian Beilock, Professorin an der University of Chicago berichtet in ihrem Buch „Choke“ darüber, warum Menschen in wichtigen Momenten im Sport und auch bei Vorträgen und Prüfungen aus der Sicht der Gehirnforscher „scheitern“.

Beginnen möchte ich mit der Beschreibung einer zentralen Erkenntnis und erst mal mit einem Ausweg aus dem Dilemma, der mich auch wieder zu den Zusammenhängen zwischen Musik und Denken, aber auch zwischen Musik, Lernen und Handeln bringt: wenn der Tennisprofi  in einer entscheidenden Spielsituation und unter hohem psychologischem Druck beginnt über seine eigentlich automatisierte Schlagtechnik nachzudenken, vielleicht sogar anfängt, die Bewegung in einzelne Teile zu zerlegen, dann führt das in vielen Fällen zu einer Überaktivität in dem Bereich des Gehirns, der für das Nachdenken zuständig ist, dem präfrontalen Kortex. Dieses Phänomen trifft man bei allen Sportarten an, also auch beim Fußballer z.B. beim Elfmeterschießen, beim Volleyballer beim entscheidenden Zuspiel, usw.

Selbstverständliche Bewegungsabläufe werden blockiert und der Sportler/die Sportlerin ist „wie gelähmt“ (viele Tennisspieler kennen das Problem der von mir so genannten „Schlagarmlähmung“ bei der Vorhand, wenn es um wichtige Punkte im Match geht). Durch das Nachdenken über den Bewegungsablauf werden Bewegungen blockiert, die beim erfahrenen Spieler normalerweise außerhalb der bewußten Wahrnehmung ablaufen. In den kommenden Beiträgen werde ich mehr über Auswege aus solchen „Choking“-Situationen schreiben, die aus meiner Sicht, nicht nur Bedeutung für den ausgebildeten Sportler im Wettkampf sondern auch Bedeutung für den Sportler/die Sportlerin/die Coaches beim Bewegung lehren und lernen haben.

Ein nettes Beispiel soll aber hier den Auftakt machen: wie schon erwähnt hilft Musik beim Bewegungslernen, sie hilft aber auch dem ausgebildeten Sportler beim Ausschalten der kognitiven „Brainpower“ und der Vermeidung von Paralyse durch Analyse:  besonders hilfreich war zum Beispiel das Stück Monty Python – Always Look on the Bright Side of Life aus dem Film „Das Leben des Brian“. (Quelle: Sian Beilock. Choke: What the Secrets of the Brain Reveal About Getting It Right When You Have To)

Ein Interview mit Sian Beilock findet Ihr über diesen Link bei youtube

 

 

Konzentration, Tennis und Musik (Musik 2)

Es ist gefühlsmässig nachvollziehbar, dass es eine Korrelation zwischen mitlaufender Musik und der Flüssigkeit von sportlichen Bewegungen, vor allem bei hochkoordinativen Sportarten wie Tennis zu geben scheint. Insbesonderes scheint  eine Beziehung zwischen dem Bewegungstiming und Musik zu existieren. Der Einsatz von moderner Pop- und Rock-Musik gehört zum „Alltag“ in unserem Training. Er hat also offensichtlich neben dem motivationalen Aspekt auch eine Bedeutung für den Bewegungsfluß!

Wie aus dem „suggestopädischen Lernen“ (Literaturempfehlung: Katja Riedel: Persönlichkeitsentfaltung durch Suggestopädie) bekannt ist, das hauptsächlich im Fremdsprachenunterricht eingesetzt wird, besteht eine besondere Beziehung zwischen klassischer Musik (insbesondere Barockmusik) und der Konzentrationsfähigkeit von Spielern auf dem Tennisplatz im Training und im Match. Dies habe ich schon in dem in der Fachzeitschrift TennisSport erschienen Artikel „Tennis mit allen Sinnen“ beschrieben. Mein amerikanischer Trainerkollege und Neurobiologe Ray Brown hat diese Zusammenhänge in einem Facebook-Post für Trainerkollegen ebenfalls aufgegriffen.

In der suggestopädischen Forschung scheint nachgeweisen, dass klassische Musik die Konzentration steigert und durch besondere Verknüpfungen in verschiedenen Gehirnarealen der Schülerin den Zugang zum „Lernstoff“ und zur Lösung von (Bewegungs-)Aufgaben erleichtert. Ray Brown stellt auch bei seinen Tennisschüler/innen fest, dass die Begleitung einer Trainingseinheit mit klassischer Musik (hier: Beethovens Neunter) die Konzentration deutlich verlängert.

Ob dies für alle Altersgruppen gilt, wäre noch zu untersuchen. Ich habe auch schon die Erfahrung im Training gemacht, dass es natürlich Menschen gibt, die klassische Musik nicht mögen. Hier stößt diese Methode der Konzentrationsunterstützung dann eher auf Ablehnung. Ein Feedback ist daher wichtig, ist aber im Inner Coaching ja eigentlich immer eine Selbstverständlichkeit.

 

Zwei Gedanken sind schon einer zuviel 2

Das Multitasking nicht funktioniert, darüber haben wir schon öfters geschrieben. Wer beim Autofahren telefoniert, kann sich eben nicht auf das Autofahren konzentrieren. Ob er das nun mit oder ohne Freisprecheinrichtung tut. Wir haben auch darüber geschrieben, dass das natürlich Konsequenzen für das Lehren und Lernen im Tennistraining hat: viele Informationen und Anweisungen gleichzeitig (leider immer noch eine beliebte Vorgehensweise bei vielen Trainerkolleg/innen) sagen zwar was über das Fachwissen des Trainers aus, überfordern aber die nach Unterstützung suchenden Sportler/innen.

So ist es zum Beispiel nicht möglich, gleichzeitig darauf zu achten, dass ich den Schläger mit dem „richtigen Griff“ in der Hand halte und darauf zu achten, dass ich die Schlagbewegung von unten nach oben ausführe. Wenn schon technische Tipps, dann maximal einer! Im Training nach Inner Coaching Prinzipien vertrauen wir auf das Körpergefühl des Spielers oder unterstützen ihn bei der Suche danach.

Eine aktuelle Studie zum Multitasking, die in den PsychologieNachrichten vom 24.1.2013 beschrieben wird („Wer gerne viel auf einmal tut, ist meist nicht gut darin!“) scheint uns da mal wieder recht zu geben.

Ein spannendes Ergebnis der Studie der University of Utah ist auch, dass gerade diejenigen, die sich für gute Multitasker hielten, in den Tests am schlechtesten abschnitten.

The Mental Game

THE MENTAL GAME: „Egal, wie hervorragend eines Spielers technische Fertigkeiten auch sein mögen, sein Verhalten im Match wird noch durch seine Weltsicht bestimmt. Dies kann durch die Beobachtung des Spielers in realen Lebenssituationen festgestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist seine Fähigkeit neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Wenn ein Spieler sich nicht an neue Situationen anpassen kann, werden zwei Dinge in seinem Spiel auftreten: (1) er zeigt sich ängstlich gegenüber neuen Gegnern und neuen Spielsituationen, (2) in direkter Folge wird die Kontrolle über seine Fähigkeit, die Schlagtechniken auszuführen, aus dem bewußten motorischen System, das im Frontallappen liegt, in das viel einfacher strukturierte limbische System verschoben. In diesem Fall wird ein Spieler das tun, was ihm sicher erscheint, was aber nur auf einem niedrigeren Niveau seines Spiels funktioniert hat. Ich nenne dies „Regression“.

Die seltsame Komplikation im Tennis oder in jeder Sportart ist, dass das limbische System einen direkten Zugang zum prämotorischen Kortex durch das Striatum hat. Dieser gemeinsame Wettbewerb zwischen dem „zivilisierten“ Frontallappen und dem primitiven limbischen System, das sich zuerst bei den Amphibien entwickelt hat, kann dazu führen, dass der Spieler seine Bewegungen „einfriert“ oder seine Schlagen sehr zaghaft ausführt. Ich habe sogar Spieler, die vom Platz kommen und sagen, sie hätten sich gefühlt, wie wenn etwas ihren Arm vom Schwingen zurückgehalten hätte. Sie hatten Recht.“ (Ray Brown, EASI Tennisacademy, Übersetzung FH)

 

Zwei Gedanken sind schon einer zuviel

Eine wichtige Überlegung in unserem Inner-Coaching-Lehr-und-Lernkonzept ist die, dass wir davon ausgehen, dass Multitasking nicht funktioniert. Zu viele gleichzeitige Informationen zu Technik oder Taktik führen sowohl im Wettkampf, als auch im Training zu Denkblockaden und verhindern effektives Lernen und Handeln im Sport. Dabei ist es unerheblich, ob diese „gut gemeinten“ Tipps vom Coach oder von „innen“ kommen. Deshalb sind wir große Freunde von sogenannten „Trick the mind“ Übungen, die eben verhindern sollen, dass ich gleichzeitig über meine Schlagtechnik und über mein momentanes taktisches Vorgehen in der Spielsituation und über den Druck zu gewinnen und….. nachzudenken versuche. Denn das funktioniert nicht, so zeigt eine neue in Spectrum der Wissenschaft besprochene Studie. Ich, beziehungsweise mein Gehirn, kann keine zwei Aufgaben gleichzeitig bearbeiten. Das kennen wir auch schon vom sogenannten „Choking under pressure“-Phänomen: Profigolfer schaffen es nicht, einfachste Putts erfolgreich abzuschließen, wenn sie unter Druck beginnen über ihre Technik nachzudenken. Tennisspieler/innen sind solche Situationen sicherlich auch vertraut. Der einfache Schmetterball, der in einer entscheidenden Spielsituation ins Netz geht, der leichte Return, der zu einer Vorlage für den Gegner wird,…..

Zwei Hälften – zwei Gedanken