Bewegungsmangel und Bewegungsdefizite scheinen eine Institutionalisierung von Bewegungsangeboten erforderlich zu machen. Ballspielen wird nicht mehr selbstverständlich „auf der Straße“ gelernt und Kinder scheinen immer weniger Zeit zu haben, um verschiedene Sportarten auszuprobieren und mehrere Sportarten parallel zu betreiben. Aus diesen Beobachtungen heraus ist an der Universität Heidelberg unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Roth die „Heidelberger Ballschule“ entstanden. Sie bietet in Kooperation mit Schulen und Kindergärten Ballspiel(lern)konzepte an. Außerdem gibt es Fortbildungen für Trainer_innen und Lehr_innen, bei denen die Lizenz der Ballschule erworben werden kann.
Für diesen Blog ist sehr spannend, nach welchen Prinzipien die HdB arbeitet. Im Skript zur Ausbildungsstufe „ABC des Spielens“ weisen die Fortbildner auf das implizite (beiläufige) Lernen hin. Wie wir es mit dem Erlernen des Gehens verdeutlicht haben, weisen sie darauf hin, wie Heranwachsende Sprachen lernen: beiläufig, ohne wesentliche Regeln benennen zu können. Auch in der Ballschule erwerben die Kinder keine bewußten Kenntnisse zu technischen und taktischen Aufgabenlösungen. Dadurch handeln sie situationsgerechter.
Die wissenschaftliche Begründung finden die Heidelberger im Konzept der „antizipativen Verhaltenssteuerung“ von Hoffmann (1993). Danach wird die spielerisch beiläufige Art des Lernens von einem elementaren Bedürfniss nach Vorhersagbarkeit getrieben: Das Modell besagt, dass die gewählte Handlung R stets von Antizipationen „K(Ant)“ begleitet wird. Sie beinhalten die Erwartungen des Kindes über das vermeintliche Ergebnis seines Verhaltens. Diese Antizipationen werden nach der Aktion mit dem tatsächlich eintretenden Konsequenzen „K(Real)“ verglichen. Das Kind lernt bei erfolgreichen Handlungen „K(Ant)-K(Real)“, dass die konkret vorliegende Spielsituation „S(Ausg)“ durch „R“ gelöst werden kann. Bei Misserfolg „K(Ant)#K(Real)“ erfährt es dagegen, dass „S(Ausg)“ nicht zu der Klasse von Spielsituationen gehört, die mit der gewählten Handlung zu bewältigen sind: daraus erfolgt eine neue, andere Bewertung (Differenzierung). (nach „Ballschule Heidelberg, ABC des Spielens, Ausbildungsmanuskript 2014“)
Die Heidelberger weisen auch daraufhin, dass die Erfahrungen, die Kinder in den Spielen machen, zur Folge haben sollen, dass sie Sicherheit gewinnen und lernen die Konsequenzen ihrer eigenen Handlungen vorherzusehen. Damit verbessern sich ihre Lösungskompetenzen für die (technischen und) taktischen Aufgaben.
Die Heidelberger weisen auch daraufhin, dass vielseitiges freies Spielen für die Kreativitätsentwicklung besser sei, als ein Spielen mit bewusster Reflexion, beziehungsweise ein Spiel mit Korrekturen und Instruktionen. Die Entfaltung der spielerischen Kreativität ist eng verbunden mit der Situationswahrnehmung, der Antizipation und Beurteilung. Für die Entwicklung der spielerischen Kreativität sei ein weiter Aufmerksamkeitsfokus zu bevorzugen.
Noch ein weiteres, für das Inner Coaching interessantes Zitat aus dem Ausbildungsskript: „Selbst einfache zusätzliche Instruktionen besitzen einen signifikanten negativen Einfluss auf die Weite des Aufmerksamkeitsfokus.“!!!
Auf dieses Phänomen der inattentional blindness haben wir schon an anderer Stelle hingewiesen.