Tausend und ein Wege…

Auf diesem Blog ist viel von „Differentiellem Lernen“(DL) die Rede. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien und Erfahrungsberichte, dass dieser Zugang zum motorischen Lernen Vorteile gegenüber einem technikorientierten Lernen hat: effektiver, nachhaltiger, stressresistenter, kreativer. Im DL werden keine Vorgaben über die „richtige Technik“ gemacht. Wir reden deshalb im Tennistraining auch von „Technik entwickeln“ und nicht mehr von „Technik lernen und lehren“.

Durch ständiges Variieren der Aufgabenstellung sollen so viele Lösungsmöglichkeiten wie möglich für die zu entwickelnde Schlagtechnik angeboten werden. Es werden sogar Bewegungen angeboten, die eigentlich außerhalb des bekannten Lösungsraumes liegen („Fehler“). Aus diesem weiten Spektrum, suchen sich die Spieler*innen die passenden individuellen Bewegungslösungen heraus. Diese Bewegungslösungen werden nicht, wie im traditionellen Technikunterricht, explizit vorgegeben. Es ist daher ein besonderes Phänomen bei Spieler*innen, die im DL ihre Technik entwickelt haben, dass sie in der Regel ihre Bewegung, ihre individuelle Technik, nicht beschreiben können. Sie handeln, umgangssprachlich ausgedrückt, „intuitiv“.

Diese Bewegungsaufgaben können in Drills (Zuwurf, Zuspiel aus dem Korb oder im Spiel mit dem Partner) angeboten werden. Sie sind natürlich auch ein Bestandteil von Spielformen. Wegen der nachweisbaren Vorteile des spielerischen und spielnahen Lernens sollte auch das DL möglichst oft in Spielformen eingebaut werden.

Im Video ein Beispiel zum DL. Der Coach „füttert“ die Spielerin mit Bällen auf Vorhand und Rückhandseite. Auf dem Weg zum Schlag muss die Spielerin über ein Balance Pad laufen. Aus der Systemtheorie und dem systemischen Lernen ist bekannt, dass minimale Änderungen große Auswirkungen haben können. (In diesem Beispiel wird als „Nebeneffekt“ auch die propriozeptive Wahrnehmung, die „Tiefenwahrnehmung“ verbessert. )

Im DL gehen wir so vor, dass lediglich die Aufgabenstellung vom Coach vorgegeben wird: in diesem ersten Beispiel: „Spiele den Ball im Wechsel mit Vorhand und Rückhand. Spiele den Ball in das diagonal gegenüberliegende halbe Doppelfeld. Achte darauf, dass Du mit seitlichen Schritten (sidesteps) über das Balance Pad läufst.“

Dieser Drill wird so lange ausgeführt, bis eine Ermüdung der Spielerin erkennbar ist (Feedback!). Eine Verbesserung des Spiels in das Zielfeld ist zweitrangig! Studien zum DL zeigen, dass in der Ermüdung Bewegungen „flüssiger“ werden.

Danach, oder im nächsten Training, wird die Aufgabe variiert. Hier nur ein paar von unzähligen Variationsmöglichkeiten. Es werden auch bewusst „Fehler“ in die Bewegungsausführung eingebaut.

Laufe vorwärts über das Pad
Laufe mit genau zwei Schritten über das Pad
Laufe rückwärts über das Pad
Pad liegt mit Abstand zur Grundlinie, mit 3. Ball Punkt ausspielen
Spiel auf Zielfelder
Laufe auf Zehenspitzen
Nimm einen Arm hinter den Rücken beim Laufen
Nimm beim Schlag das ballnahe Bein nach vorne (offene Schlagstellung)
Spiele nur Vorhand
Spiele nur Rückhand
Spiele den Ball über ein erhöhtes Netz
Spiele den Ball „mit Absicht“ über die Grundlinie
Spiele den Ball „mit Absicht“ und hoher Geschwindigkeit in das Netz
Laufe in der tiefen Hocke
Laufe mit durchgestreckten Knien

Neben den Vorteilen für die Technikentwicklung, Beinarbeit, propriozeptive Wahrnehmung und das motorische Lernen, zeigt sich ein weiterer positiver Aspekte. Das Training lässt sich abwechslungsreicher gestalten und wird so den Erwartungen der Leistungs- und Freizeitsportler*innen gerechter. Das immer noch häufig praktizierte stupide „Einschleifen“ einer „Lehrbuchtechnik“ wird ersetzt durch ständig wechselnde und sich nicht wiederholende Aufgabenstellungen.

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