Schlagwort-Archive: Technikorientierung

Der Mythos der korrekten Technik

Zwei Kinder, welche Fußball spielen.

Ein Beitrag von outoftheb-ox über die Theorie der Entwicklung motorischer Fähigkeiten, den Mythos der korrekten Technik, Variabilität im Körper und Variabilität in der Bewegung.

Fazit: „Bewegungsvariabilität sollte im Training gefördert werden, um die Anpassungsfähigkeit von Bewegungslösungen zu verbessern und folglich nicht nur die sportliche Leistung der Sportlerin zu steigern, sondern auch das Verletzungsrisiko zu verringern. Das Üben einzelner Bewegungen zum Erlernen der “korrekten Technik” sollte vermieden werden. Stattdessen empfiehlt es sich das Training in einer realitätsnahen Situation durchzuführen, die es der Sportlerin erlaubt Umweltfaktoren wahrzunehmen und auf diese agil und variabel zu reagieren.“

„Essentially, all models are wrong, but some are useful“


George Box

https://www.outoftheb-ox.de/technik-variabilitat/

Mythos Reihenaufstellung

Zu den fast unerschütterbaren Mythen im Sport und in der Sportpädagogik gehört die Vorstellung, dass am Anfang einer Sportlerlaufbahn immer die Technikvermittlung stehen müsse, da sonst kein Spiel und keine Taktikvermittlung möglich sei. Das zieht sich vom Fußballtraining über das Skifahren bis zu den Rückschlagspielen.

Ein Ziel dieses Blogs ist es, neue Wege in der Trainingslehre aufzuzeigen: Vom spielorientierten Ansatz, bei dem Technik spielerisch entwickelt wird, über den Constraints-led-approach (CLA), aus einem systemdynamischen Zugang und einer non-linearen Pädagogik entstanden, bis zum differenziellen Lernen ohne jede explizite Technikanleitung reichen die Alternativen zu den methodischen Traditionalismen, die immer noch tief in den Köpfen vieler Coaches verankert sind. #straßenspielkultur

In einfachen Berechnungen lässt sich zeigen, dass dieser traditionelle Ansatz nicht effektiv sein kann. Er führt häufig zu der kuriosen Trainingssituation, dass Sportlerinnen (a) sich in einer Reihe aufstellen, nacheinander eine Technik ausführen und der Coach die Ausführung der Technik korrigiert, bis sie seinen Erwartungen entspricht. So ein Kolonnentraining ist zwar in der Trainerinnenausbildung offiziell verpönt, die Alternativen sind aber nicht im Erfahrungsschatz der neuen Coaches oder erscheinen in der Umsetzung zu kompliziert. So landen viele junge Coaches, so meine Beobachtung, dann doch in der ersten Jahren ihrer Tätigkeit beim klassischen Kolonnentraining.

Das mag in Verbindung mit zusätzlichen Bewegungsaufgaben beim Warten auf den nächsten Schlag noch zeitweilig oder im Cardiotennis mit dem Fokus auf körperlicher Belastung Sinn machen. Neben den lerntheoretischen Überlegungen ist es aber auch aus rein rechnerischer Sicht, beim Blick auf die Faktoren „Zeit“ und „Intensität“ nicht zielführend ist, ist in diesem Artikel aufs tennistraining junior 1/2016 dargestellt.

Ein Lob auf die Familie

Yogi Berra

“Think?! How the hell are you gonna think and hit at the same time?” (Yogi Berra, Baseballcoach) Aus zahlreichen Studien über „Versagen unter Druck“ und von berühmten Coaches wie Yogi Berra wissen wir, dass „man nicht gleichzeitig denken und den Ball schlagen kann“. In schwierigen Situationen (enge Spielstände im Tennis, Putten beim Golf, Strafstoß schießen/werfen …) ist es wenig hilfreich über die richtige Schlag-/Schußtechnik oder gar über das mögliche Scheitern nachzudenken. Die Inanspruchnahme des präfrontalen Kortex beim bewussten Nachdenken verlangsamt und behindert den Zugang zu automatisierten und schon häufig erfolgreich verwendeten Bewegungen. Das hat Mitko in einem früheren Beitrag in der „Paralyse durch Analyse“ treffend beschrieben. Hier greifen auch die von ihm in dem Beitrag https://www.tms-tennis.de/inner-coaching/choking-under-pressure/ beschriebenen Rituale.

Die Verlangsamung der Bewegungsausführung beim Nachdenken über eben selbige lässt sich wunderbar neurobiologisch messen. Das gilt nicht nur für den Experten. Sogar beim Bewegungslernen kann das Nachdenken über die „richtige Technik“ den Zugang zu bereits vorhandenen und übertragbaren Bewegungslösungen behindern. Bewegungen wie Werfen, von unten nach oben, über Kopf, seitlich,… gehören in die gleiche Bewegungsfamilie wie Vorhand-, Rückhand- und Aufschlag in den Rückschlagspielen. Explizite Erklärungen der Schlagtechnik bedürfen einer Verarbeitung im Frontallappen des Gehirns. Zusätzlich verengt die explizite Technikanleitung den Fokus. In der Forschung nennt man das „Inattentional Blindness“. Der Fokus auf die Umsetzung einer explizit vorgegebenen Bewegungsausführung zwingt uns dazu, alternative und kreative Bewegungslösungen zu übersehen.Beides kann beim Beginner und Fortgeschrittenen motorisches Lernen, Kreativität, Technikentwicklung und eben den Zugriff auf schon Vorhandenes behindern.

Deshalb ist die spielerische und ohne Technikinstruktionen auskommende Ballschule in der Vorbereitung auf das Tennis so wichtig. Deshalb sind spielerisches, implizites und differenzielles Lernen ohne Technikinstruktionen im Sport möglicherweise effektiver. Für die Technikentwicklung und für den Tennisexperten in engen Matchsituationen.

Spielerisch lernen/playful learning

„Es werden von uns keine normierten Technikvorstellungen vermittelt, sondern eine den Voraussetzungen der Schüler entsprechende Schlagtechnik, die im Verlauf des Trainingsprozesses variiert und weiterentwickelt wird.“ aus: André Bensch/Marco Danisch: Spielorientiertes Tennistraining mit Kindern und Jugendlichen, Hamburg 2000, S.30

Andre Bensch;Marco Danisch: Spielorientiertes Tennistraining mit Kindern und JugendlichenBensch und Danisch beschreiben einen spielerischen Lehr- und Lernansatz im Technik- und Taktiktraining, Spielerisch lernen/playful learning weiterlesen

Spielbefähigung, Inner Coaching und „methodischer Traditionalismus“

In der Vorbereitung auf einen Lehrgang zur Ausbildung von Tennisassistent_innen im Bezirk E des Württembergischen Tennisbunds habe ich mir Unterlagen zum Vermittlungskonzept „Low-T-Ball“ zusammengestellt. Die Lehrgänge begleite ich als Referent für die Themen „Kindertennis“, Trainingslehre und „Inner Coaching“ seit mehreren Jahren, zusammen mit dem Lehrreferenten des Bezirks 7/E, Thomas Schmid.

Bei der Internetrecherche bin ich auf einen Artikel von Peter Koch (Sportwissenschaftliches Institut Saarbrücken) gestossen, den er 2005 in der Fachzeitschrift „TennisSport“ veröffentlicht hat. Darin stellt er die Frage nach der Funktionalität von Tennistechnik und -methodik. Er bemängelt einen „methodischen Traditionalismus“ bei vielen Trainer_innen, die stark an einem ablauf- und technikorientierten Denken festhalten. Hierbei habe die „funktionale Bewegungsanalyse“ nach Göhner dieses Denken eher manifestiert und stehe aus diesem Blickwinkel im Widerspruch zu einem ganzheitlichen und spielorientierten Vermittlungsansatz.

Koch empfiehlt deshalb einen „Perspektivenwechsel“, der sich im Einsatz von ganzheitlichen „Tennisentwicklungsmodellen“ zeige. Low-T-Ball, das Spiel mit Federbällen und Tennisschläger, unterschiedliche Spielfelder, an die Spielfähigkeit angepasst Bälle und Schläger unterstützen dieses Lehr- und Lernmodell.

Inner Coaching und Kochs methodischer Ansatz sind zumindest schon mal in der Kritik am immer noch häufig zu beobachtenden „Vermittlungstraditionalismus“ sehr ähnlich: Kolonnentraining, also das hintereinander Aufstellen von Schüler_innen, die dann mit Technikanleitung und -korrektur einen oder mehrere Schläge ausführen und sich dann wieder der Kolonne anschließen, sind immer noch häufig im Trainigsalltag zu beobachten.

Auch der spielerische und ganzheitliche Ansatz sind zentrale Elemente bei Koch und im Inner Coaching (nach unserem Verständnis).

In Ergänzung zur Spielorientierung bei Koch, bei der nicht Bewegungsausführungen, sondern das schnelle Entwickeln von Befähigungen wie „Positionieren“, „Winkel steuern“, „Timing“ im Vordergrund stehen, werden beim „Inner Coaching“ zusätzlich Erfahrungen aus dem mentalen Training frühzeitig in den Tennisunterricht und das Training integriert.