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Defokussierungs-Theorie

In der Hirnforschung und insbesondere in der Kreativitätsforschung gibt es die sogenannte „Defokussierungs-Theorie“. Sie ist verwandt mir der „Low-Arousal-Hypothese“, das ist so etwas wie eine „Geringe-Erregungs-Hypothese“. Die Theorie sagt: je mehr es mir gelingt, meine Gedanken schweifen zu lassen, mich nicht auf eine Sache zu konzentrieren, desto freier kann ich assoziieren und desto leichter finden sich kreative Gedanken und Problemlösungen ein.

Dies sollte auch für das Bewegungslernen gelten, wie die Lösung für die vom Coach nicht verbal formulierte, sondern sich aus den vom Coach erstellten Rahmenbedingungen ergebende Bewegungsaufgabe „Spiel den Ball von Punkt A mit hoher Geschwindigkeit über das Netz zu Punkt B im gegenüberliegenden Spielfeld!“.

Je weniger ich mich auf eine Sache konzentriere und je mehr ich die Hirnaktivität herunterfahre, desto größer ist die Chance auf den „Geistesblitz aus heiterem Himmel“. Viele solcher Erfahrungen lassen sich ja in Momenten der Entspannung und der Meditation machen.

Henning Beck zieht in seiner spannenden „Beschreibung des Geistesblitzes – Speed up your mind!“ (Heidelberg 2013) das Fazit, dass „unkonzentriert sein helfen kann, um sich für neue und überraschende Ideen zu öffnen“. Demnach könnte ein „Abschalten“ von Hirnfunktionen notwendig sein, um sich einer Sache (also auch der Lösung einer Bewegungsaufgabe) kreativ widmen zu können. Dass die Bewertung und Zusammenführung von Gedankenmustern im präfrontalen Cortex stattfindet, scheint sicher zu sein, auch wenn wir im Inner Coaching und im Mentaltraining von einem „Ausschalten des Denkens im präfrontalen Cortex“ reden.

Beck geht davon aus, dass der präfrontale Cortex den Gedankenblitz schon lange bearbeitet hat, bevor er bewusst und als richtig wahrgenommen wird.

Differenzielles Lernen (2)

In älteren Posts habe ich schon mehrfach auf die spannenden Untersuchungen von Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn zum differenziellen Lernen hingewiesen. Die darin enthaltene Sichtweise, dass (vermutlich) keine Bewegung exakt wiederholbar ist, dass die Veränderung eines einzigen Gelenkwinkels in einer komplexen Bewegung zu (212)4 Variationsmöglichkeiten in der Gesamtbewegung führen kann (Schöllhorn „Erfolg durch Abweichung“ in physiotherapie 6/11) stellt grundsätzlich Differenzielles Lernen (2) weiterlesen

Paralyse durch Analyse

In den nächsten Beiträgen werde ich etwas über die spannenden Untersuchungen des „Choking under pressure-Phänomens“ erzählen und diese neurologischen Erkenntnisse mit dem Inner Coaching verknüpfen.

Sian Beilock, Professorin an der University of Chicago berichtet in ihrem Buch „Choke“ darüber, warum Menschen in wichtigen Momenten im Sport und auch bei Vorträgen und Prüfungen aus der Sicht der Gehirnforscher „scheitern“.

Beginnen möchte ich mit der Beschreibung einer zentralen Erkenntnis und erst mal mit einem Ausweg aus dem Dilemma, der mich auch wieder zu den Zusammenhängen zwischen Musik und Denken, aber auch zwischen Musik, Lernen und Handeln bringt: wenn der Tennisprofi  in einer entscheidenden Spielsituation und unter hohem psychologischem Druck beginnt über seine eigentlich automatisierte Schlagtechnik nachzudenken, vielleicht sogar anfängt, die Bewegung in einzelne Teile zu zerlegen, dann führt das in vielen Fällen zu einer Überaktivität in dem Bereich des Gehirns, der für das Nachdenken zuständig ist, dem präfrontalen Kortex. Dieses Phänomen trifft man bei allen Sportarten an, also auch beim Fußballer z.B. beim Elfmeterschießen, beim Volleyballer beim entscheidenden Zuspiel, usw.

Selbstverständliche Bewegungsabläufe werden blockiert und der Sportler/die Sportlerin ist „wie gelähmt“ (viele Tennisspieler kennen das Problem der von mir so genannten „Schlagarmlähmung“ bei der Vorhand, wenn es um wichtige Punkte im Match geht). Durch das Nachdenken über den Bewegungsablauf werden Bewegungen blockiert, die beim erfahrenen Spieler normalerweise außerhalb der bewußten Wahrnehmung ablaufen. In den kommenden Beiträgen werde ich mehr über Auswege aus solchen „Choking“-Situationen schreiben, die aus meiner Sicht, nicht nur Bedeutung für den ausgebildeten Sportler im Wettkampf sondern auch Bedeutung für den Sportler/die Sportlerin/die Coaches beim Bewegung lehren und lernen haben.

Ein nettes Beispiel soll aber hier den Auftakt machen: wie schon erwähnt hilft Musik beim Bewegungslernen, sie hilft aber auch dem ausgebildeten Sportler beim Ausschalten der kognitiven „Brainpower“ und der Vermeidung von Paralyse durch Analyse:  besonders hilfreich war zum Beispiel das Stück Monty Python – Always Look on the Bright Side of Life aus dem Film „Das Leben des Brian“. (Quelle: Sian Beilock. Choke: What the Secrets of the Brain Reveal About Getting It Right When You Have To)

Ein Interview mit Sian Beilock findet Ihr über diesen Link bei youtube