Leserbrief

Leserbrief

In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „TennisSport 3/2015“ finden sich zwei unterschiedliche Einschätzungen des differenziellen Lernens nach Schöllhorn: Freddy Siegenthaler, ehemaliger Swiss Tennis Stützpunkttrainer empfiehlt das differenzielle Lernen (nach Schöllhorn) bei der Entwicklung und Verbesserung des 1. Aufschlags im Tennis (S. 3). Im gleichen Heft kritisiert Alexander Ferrauti das differenzielle Lernen als wenig Erfolg versprechend. Die praktischen Unterrichtserfahrungen widersprechen ihrer Ansicht nach „eindeutig den Axiomen des differenziellen Lernmodells“ (S. 22)

Jetzt freue mich auf eine ausgiebige und vor allem weiterführende Debatte der unterschiedlichen Standpunkte.  In unserem (Tennis-)Training greifen wir sehr häufig und mit immer größerer Begeisterung auf das differenzielle Lernen zurück und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Der Beitrag von Stefan Künzell und Ernst-Joachim Hossner (Sportwissenschaft 2-2012) der auch von Alexander Ferrauti u. a. zur Kritik am differenziellen Lernen herangezogen wird, ist da leider wenig hilfreich und wirkt vor allem polemisch.

Möglicherweise besteht ein Grund für die unterschiedliche Bewertung des differenziellen Lernens darin, dass Schöllhorn so verstanden wird, dass motorisches Bewegungslernen und die Entwicklung einer erfolgreichen Technik sich vor allem nicht-spielerisch realisieren lasse. Unglücklich sind da vielleicht die bisher vorliegenden Anregungen für das differenzielle Lernen im Tennis, die manchmal etwas spielfremd wirken. Differenzielles Lernen ist aber ein zentraler Bestandteil eines spielerisch-impliziten Lernens. Ein Lernen, das sich auch aus der Veränderung von Rahmenbedingungen (Bälle, Spielfelder, Regeln, Spielgeräte, Aufgabenstellungen, etc) ergibt.

Was ich als Coach aus der systemischen Beratung kenne (z. B. paradoxe Interventionen), gilt auch beim motorischen Lernen: alles was einen Unterschied macht, macht einen Unterschied und ist Voraussetzung für Lernen und Entwicklung. Dies weisen Schöllhorn und andere in ihren Studien eindrucksvoll nach. Mittlerweile findet sich diese Theorie vielfältig in der Trainingspraxis in zahlreichen Sportarten wieder. Freddy Siegenthaler zeigt ein paar schöne Beispiele für den Tennis-Aufschlag, gerade erschienen sind zwei schöne Bücher zum differenziellen Lernen im Golf und im Fußball („Differenzielles Lernen im Golf – Der Weg zu einem besseren Golfer“ von Günther Blumhoff und Hans-Christian Vernekohl; „Fußball durch Fußball“ von Marco Henseling und Rene Maric). Unser Blog www.innercoaching-blog.de liefert zahlreiche Praxisbeispiele zum differenziellen Lernen im Tennis.

Natürlich gibt es viele Wege nach Rom. Auch ein methodischer Traditionalismus, dessen primärer Blick auf der Vermittlung einer „richtigen“ Technik liegt, unterstützt Spieler*innen auf ihrem Weg zum Erfolg. Doch die entscheidende Frage ist ja: welches ist der kürzere, der schönere und der nachhaltigere Weg?

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