Alle Beiträge von Frercks Hartwig

"Irritationen sind die Grundlage von Veränderung!"

Der (motorische) Geistesblitz

Die Lösung von Bewegungsaufgaben hat manchmal viel von einem „Geistesblitz“. Zum Beispiel die Lösung der Frage, „wie werfe ich den Ball an, um einen schnellen Aufschlag zu erreichen?“ oder die komplizierte (spieltaktische und bewegungstechnische) Frage, „wie schaffe ich es, den in der Nähe der T-Linie hoch abspringenden Ball mit hohem Tempo so in das gegenüberliegende Feld zu spielen, dass für mich eine günstige Ausgangssituation für den weiteren Ballwechsel entsteht?“

geistesblitzHenning Beck beschreibt in „Biologie des Geistesblitzes – Speed up your mind!“ (Heidelberg 2013), was in unserem Gehirn passieren muss, um zur „göttlichen Eingebung“ oder weltlich formuliert „zur Lösung des Problems“ zu kommen.

Danach sind folgende Rahmenbedingungen erforderlich, um unserem Gehirn den Zugang zu kreativen Lösungen zu ermöglichen:

  1. Definiere für Dich das Problem!
  2. Leg sofort los mit der Lösungssuche!
  3. Scheitern ist hilfreich!
  4. Mach Fehler!
  5. Brich die Lösungssuche ab!
  6. Mach sofort etwas anderes!
  7. Begib Dich in eine „Wohlfühlumgebung“!
  8. Provoziere Deine Gedanken!
  9. Iss und schlaf!
  10. Humor entspannt
  11. Nutze Deine sozialen Kontakte (Coach, Trainingspartner)!
  12. Vermeide Stress!

Die Problembearbeitung beginnt im präfrontalen Cortex, der Geistesblitz kommt uns (i.d.R.) aber erst, wenn wir die oben beschriebenen Rahmenbedingungen schaffen und das ganze Gehirn nutzen: „Wenn Sie sich in der Assoziationsphase befinden, ihren präfrontalen Cortex etwas von der Aufgabe entbinden und weitere Gehirnregionen durch neue Aktivitäten anregen…“ (Beck 2013, S. 209)

Im Inner Coaching ist es unser Anliegen, diese Rahmenbedingungen für effektives Lernen zu ermöglichen.

Selbstorganisation

Jürgen Birklbauer, Erich Müller: Motorisches Lernen und  Bewegungskoordination. Die modernen Ansätze der Selbstorganisation versus den klassischen Kontroll- und Steuerungsmodellen.

Der erste Teil diese Arbeitskreises an der Universität Salzburg bot einen kurzen Überblick über die modernen Ansätze der Selbstorganisation („action approach“), wobei deren Kernaussagen den klassischen Kontroll- und Steuerungsmodellen der Kognitionspsychologie („motor approach“) gegenübergestellt wurden. Erstere spannten den Bogen vom bewegungsphysiologischen Ansatz N. A. Bernsteins (Bernstein,1975) hin zum Konzept der Synergetik (Janssen et al., 1996), das zurzeit die Motorikforschung weitgehend beherrscht. Im Gegensatz zu dem computerwissenschaftlich orientierten Ansatz der Informationsverarbeitung, der die menschliche Informationsaufnahme, -verarbeitung und -abgabe als Zusammenwirken quasitechnischer Elemente, wie Informationskanäle, Filter, Prozesse, Speicher, Programme, Regler etc. beschreibt, setzen die ökologischen Modelle einer dynamischen Systemperspektive keinerlei interne Repräsentations-strukturen voraus, um die Kontrolle, Steuerung und das Lernen von Bewegungen zu erklären.

Der phänomenologisch orientierte systemdynamische Ansatz postuliert stattdessen Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien,die aus dem Verständnis der menschlichen Motorik als sich selbst organisierendes dynamisches System Bewegungskoordination und -lernen als Ergebnis des Zusammenwirkens zwischen den Teilelementen des Körpers und der Umwelt interpretieren. Neben der Synergetik werden die Einflüsse der Gestaltpsychologie, der ökologischen Wahrnehmungspsychologie, der Chaostheorie und des Konnektionismus (Künzell, 1996) auf diese als „Motor-Action-Kontroverse“ bekannte Auseinandersetzung anhand experimenteller Befunde dokumentiert.

Dabei stehen die Konsequenzen für das motorische Lernen als Grundlage für das allgemeine und spezielle Koordinationstraining im Vordergrund der Überlegungen. Diesbezüglich fordern sowohl die internen Repräsentationsmodelle in der so genannten „variability-of-practice“ Hypothese als auch das von systemdynamischen Analysen abgeleitete Konzept des differenziellen Lernens variables Üben als grundlegende methodische Strategie im Koordinations- und Techniktraining.

Literaturverzeichnis:
Bernstein, N. A. (1975). Bewegungsphysiologie. Leipzig: Ambrosius-Barth
Janssen, J. P., Carl, K., Schlicht, W. & Wilhelm, A. (1996).Synergetik und Systeme. Schorndorf: Hofmann.
Künzell, S. (1996). Motorik und Konnektionismus. Neuronale Netzwerke als Modell interner Bewegungsrepräsentationen. Köln: bps.
Quelle: Arbeitskreis Motorisches Lernen und Bewegungskoordination, Leitung: Herbert Wagner, Mitwirkender: Jürgen Birklbauer, Interfakultärerer Fachbereich Sport & Bewegungswissenschaft/USI, Universität Salzburg

Ganzheitliches und implizites Lernen

Wulf/Weigelt haben 1997 festgestellt, dass sich aus den ihnen vorliegenden Befunden ableiten lässt, dass der implizite Erwerb einer Bewegungsfertigkeit eher einen ganzheitlichen Prozess darstellt, der gestört wird, wenn die Aufmerksamkeit des Lernenden auf strukturelle Details des Bewegungsablaufs gerichtet wird. (zitiert nach Kibele, 2001)

A place to reach

Robert S. Woodworth, Psychologe„When I start to go willingly, my intention is not aimed to move my legs alternately in a certain way, my will is directed to a specific place to reach. I’m not in a position to describe the movements, my legs or arms will make, but I can see what result I intend to achieve „.

Robert S. Woodworth, Psychologe, 1899

„Wenn ich willentlich zu gehen beginne, ist meine Absicht nicht darauf gerichtet, meine Beine alternierend in einer bestimmten Weise zu bewegen; mein Wille ist darauf gerichtet, einen bestimmten Ort zu erreichen. Ich bin nicht in der Lage, zu beschreiben, welche Bewegungen meine Beine oder Arme dabei machen werden; aber ich vermag festzustellen, welches Ergebnis ich zu erreichen beabsichtige.“

Aufmerksamkeitsfokus und Choking under Pressure

Maurer und Munzert kommen in einer Untersuchung mit Basketballspieler_innen (Uni Gießen 2006) zu dem Ergebnis, dass die Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Bewegungsausführung, im Gegensatz zu anderen bereits in diesem Blog beschriebenen Untersuchungen (Beilock, Wulf, u.a.), zu signifikant besseren Trefferleistungen führen kann. Ein wesentlicher methodischer Unterschied dieser Studie könnte darin bestehen, dass die Spielerinnen selbst einen für sie wichtigen Bewegungsaspekt wählen konnten, auf den sie sich bei der Ausführung des Freiwurfs konzentrierten. Dieses Ergebnis legt nach Ansicht der Autoren „die Vermutung nahe, dass nicht die vertrauten Aufmerksamkeitslenkungen für eine negative Beeinflussung der Leistung verantwortlich sind“. Link zur Studie

Defokussierungs-Theorie

In der Hirnforschung und insbesondere in der Kreativitätsforschung gibt es die sogenannte „Defokussierungs-Theorie“. Sie ist verwandt mir der „Low-Arousal-Hypothese“, das ist so etwas wie eine „Geringe-Erregungs-Hypothese“. Die Theorie sagt: je mehr es mir gelingt, meine Gedanken schweifen zu lassen, mich nicht auf eine Sache zu konzentrieren, desto freier kann ich assoziieren und desto leichter finden sich kreative Gedanken und Problemlösungen ein.

Dies sollte auch für das Bewegungslernen gelten, wie die Lösung für die vom Coach nicht verbal formulierte, sondern sich aus den vom Coach erstellten Rahmenbedingungen ergebende Bewegungsaufgabe „Spiel den Ball von Punkt A mit hoher Geschwindigkeit über das Netz zu Punkt B im gegenüberliegenden Spielfeld!“.

Je weniger ich mich auf eine Sache konzentriere und je mehr ich die Hirnaktivität herunterfahre, desto größer ist die Chance auf den „Geistesblitz aus heiterem Himmel“. Viele solcher Erfahrungen lassen sich ja in Momenten der Entspannung und der Meditation machen.

Henning Beck zieht in seiner spannenden „Beschreibung des Geistesblitzes – Speed up your mind!“ (Heidelberg 2013) das Fazit, dass „unkonzentriert sein helfen kann, um sich für neue und überraschende Ideen zu öffnen“. Demnach könnte ein „Abschalten“ von Hirnfunktionen notwendig sein, um sich einer Sache (also auch der Lösung einer Bewegungsaufgabe) kreativ widmen zu können. Dass die Bewertung und Zusammenführung von Gedankenmustern im präfrontalen Cortex stattfindet, scheint sicher zu sein, auch wenn wir im Inner Coaching und im Mentaltraining von einem „Ausschalten des Denkens im präfrontalen Cortex“ reden.

Beck geht davon aus, dass der präfrontale Cortex den Gedankenblitz schon lange bearbeitet hat, bevor er bewusst und als richtig wahrgenommen wird.